Neues Kirchenzentrum

Das Kirchenzentrum der St.-Nathanael-Gemeinde

Bild: Lutz Schleich

Mit der Fertigstellung des neuen Kirchenzentrums der St. Nathanael-Gemeinde als Kirche im Quartier Ende 2019 konnte der Weg in die Zukunft geebnet werden. Mit dem kleineren, aber energieeffizienten, nachhaltigen und mehrfunktionalem Kirchenzentrum hat die Gemeinde auf die neuen Anforderungen im Stadtteil reagiert. Mit der Kirche als zentralem Sakralraum und den beiden Gruppenräumen Athen und Kana, die durch Trennwände und Türen zu einem großen Veranstaltungsraum nutzbar sind, bietet die Nathanael-Gemeinde das modernste und flexibelste Gebäude in Hannover-Bothfeld und -Lahe. Auch die Funk-Veranstaltungstechnik mit Licht-, Ton- und Videoübertragungen bietet einen hohen multimedialen Standard, der bereits von Bürgern, Organisationen und Unternehmen im Stadtteil für Veranstaltungen gemietet wurde. Von Hochzeiten, über Kulturveranstaltungen bis hin zu Jubiläumsevents bieten das Gebäude und die Gärten nahezu alle Möglichkeiten.

Überblick über die Entstehungsgeschichte und die Technik des Gebäudes  

Der Neubau des Kirchenzentrums St. Nathanael ersetzt das seit der Gründung der Gemeinde in den 1960er Jahren gebaut Gemeindehaus. Es ist das Ergebnis eines Architektenwettbewerbs, der 2012 vom Büro ksw Architekten Kellner Schleich Wunderling aus Hannover gewonnen wurde. Städtebaulich haben die Architekten dabei die Idee eines „Nathanael-Quartiers“ geprägt, in dem der kompakte Baukörper des Kirchenzentrums von Reihenhäusern in der gleichen Architektursprache gefasst wurde. Am 10. November 2019 konnte das Kirchenzentrum nach kontrovers geführter Diskussion über Erhalt oder Abriss des Altbaus und nach eineinhalb Jahren Bauzeit geweiht werden. Der aus den 70er Jahren stammende, vorhandene Glockenturm markiert seither den Eingang des Kirchenzentrums und stellt auch architektonisch ein Bindeglied zwischen Geschichte und Zukunft der Gemeinde her.


Ein eingeschossiger Kubus aus weiß-gelbem dänischem, wassergestrichenem Kohlebrandziegel stellt die Basis des Kirchengebäudes dar. Ein großzügiger Einschnitt auf der Straßenseite schafft einen einladenden Vorbereich. Aus diesem flachen Kubus erhebt sich ein zweiter, weißer Quader, der eigentliche Kirchsaal. Schmale senkrechte Fensterschlitze lassen dabei erahnen, dass es sich um kein profanes Gebäude handelt. Die leichte Erhöhung über dem Altarraum wird zur Gartenseite hin mit einem prägnanten Wasserspeier abgeteilt. Auf der rückwärtigen Seite findet sich dem Haupteingang gegenüberliegend ein Anbau für das Gemeindebüro. Dieser Seitenflügel trennt den Gartenbereich im Westen, die „Sommerkirche“, von dem öffentlichen nördlichen Gartenbereich, der als Vorzone und Eingang bei feierlichen Gottesdiensten dient. Die Rückseite mit Garten bietet im Frühling, Sommer und Herbst einen Open-Air-Bereich der Kirche.

Einzelne Ziegel auf der Eingangsseite zieren erst bei genauerem Hinsehen erkennbare kleine Feigenblätter und verweisen auf den Namensgeber der Kirche, der seine Berufung als Jünger Christi unter einem Feigenbaum erhalten hat. Jedes Blatt steht für einen konkreten Spender, der die Gemeinde in der Bauphase beim Erwerb der Innenausstattung unterstützt hat.

Der Grundriss des Kirchenzentrums basiert, wie viele historische Kirchenbauten, auf einer kreuzförmigen Struktur. Anders als bei der klassischen Basilika ist dieses Kreuz jedoch das Gerüst eines funktionalen Konzeptes. So ist die Vierung nicht das sakrale Zentrum des Gebäudes, sondern das auf Kommunikation angelegte Foyer mit der darüber liegenden Orgelempore. Der Querriegel des Kreuzes dient der Erschließung und führt zum Gemeindebüro. Er steht damit für den profanen Teil des Gebäudes, für das Ankommen, die Begegnung und auch die Erledigung ganz alltäglicher Geschäfte. Alle weiteren Räume des Gebäudes mit Ausnahme der Sakristei sind an diesen Querriegel angegliedert.

Der Längsriegel des Kreuzes besteht aus dem Kirchenraum sowie dem Gruppenraum Kana. Diese beiden Räume können mithilfe von doppelflügeligen Türen über das Foyer hinweg zu einem großen Kirchenraum zusammengeschlossen werden, so dass bei großen Festgottesdiensten bis zu 200 Personen Platz finden. Raum Kana hat zum nördlichen Vorplatz eine repräsentative Doppelflügeltür. Diese „Hochzeitspforte“ ermöglicht bei Festgottesdiensten wie auch Hochzeiten einen feierlichen Einzug. Das Hochzeitsthema hat dem Raum auch zu seine m Namen verholfen. Mit dem Bezug zur Hochzeit zu Kana steht er für das Festliche und auch Fröhliche, mit dem die Gemeinde zum Zuhause ihrer Mitglieder geworden ist.

Der zentrale Kirchsaal kann zur Straßenseite hin um den zweiten Gruppenraum erweitert werden, der mit seiner großen Fensterfront auf ein Beet mit der Nathanael-Feige hin ausgerichtet ist. Auch dieser Raum hat einen Namen mit Bezug zu einem biblischen Ort. Als Raum Athen erinnert er an die mit Verwunderung und Skepsis aber auch Faszination aufgenommene Rede des Paulus auf dem Areopag in Athen. Mit der Ausrichtung zum Straßenraum kann dieser Raum genau so wirksam werden: Der Öffentlichkeit, auch der kirchlich nicht interessierten, mit Offenheit begegnen, zu Diskussionen und Begegnungen anregen und so den Brückenschlag zwischen Christen und Nichtchristen, Skeptischen und Interessierten ermöglichen. Kurz – ein Ort der Begegnungen im Quartier.

Die Sakristei zwischen Kirchsaal und Raum Athen hat einen separaten kleinen Eingang. So kompensiert sie ein wenig, dass die Gemeinde über keinen eigenen Pfarramtsbereich verfügt und steht als geschützter Raum für Seelsorgegespräche zur Verfügung.

Das Motto des offenen Himmels prägt mit einem Oberlicht die im Altarraum fast acht Meter hohe Kirche. Weiteres Tageslicht erhält der Raum über eine große Fensterfront zum Garten und zwölf schmale „Apostelfenster“ in den Obergaden. Auf der Rückseite gibt es eine kleine, asymmetrisch geschnittene Orgelempore. Die vorhandene Orgel wurde beim Umzug in den Neubau grundlegend von der Orgelbaufirma Feopentow überholt, aufgewertet und in Teilen umgebaut. Mit der Position auf der Empore prägt sie den Kirchenraum seither nicht nur optisch stärker als zuvor, sondern verfügt auch über stärkere konzertante Qualitäten als vor dem Umbau.

Neben der Orgel ist ein schmales Solitärfenster in die Nordwand geschnitten, vor dem innenseitig ein Bleiglasfenster von Henning Haeger platziert wurde, das in den 80er Jahren für den Altbau geschaffen wurde. Bei der Grundsteinlegung wurde Bezug genommen auf das biblische Bild des Ecksteins. Dieses starke und wichtige Bild sollte dauerhaft und glaubwürdig sichtbar sein. Ein Platz wurde in der südöstlichen Ecke des Altarraums gefunden, so dass das Kirchenzentrum einen echten Eckstein erhalten hat, in dem die übliche Dokumentenkapsel vermauert wurde. An dieser Stelle wurde ein Betonwinkel mit Christusmonogramm und Jahreszahl 2018 angebracht. Ein Pendant hierzu gibt es auf der anderen Seite des Altarraums, den aus Beton gegossenen Osterleuchter. Nach einer grundlegenden Überholung wurden auch Altar und Kanzel aus dem Altbau wiederverwendet, ebenso das bronzene Wandkreuz und das Taufbecken.

Der Altar stammt aus der alten Kirche und wurde vor dem Umzug aufgearbeitet. Er bildet neben dem Turm das zweite Bindeglied zwischen alt und neu.

Es sind kleine, ungewöhnliche Zutaten und Abweichungen, die den an sich konventionellen Saal zu einem Sakralraum machen, der gleichzeitig immer wieder den Spagat bestehen muss, für andere, profane Nutzungen herangezogen zu werden. Aber genau dieser Spagat zwischen Sakralem und Profanem macht den besonderen Charakter des Hauses aus und ist letztlich gewünscht, um Raum für ein vielfältiges, in den Stadtteil hinein wirkendes Programm zu bieten. Es ist daher auch möglich, die Räume des Kirchenzentrums für nichtkirchliche Veranstaltungen zu mieten.